Hirtenbrief des Bischofs von Regensburg
zum 2. Adventssonntag 2024
„Was bleibt vom Wolfgangsjahr?“
Liebe Kinder, liebe jugendliche und erwachsene Schwestern und Brüder im Herrn!
1. Zu Beginn des neuen Kirchenjahres grüße ich Euch und Sie alle sehr herzlich. „Immer, wenn ich für euch alle bete, bete ich mit Freude. Ich danke für eure Gemeinschaft im Dienst am Evangelium vom ersten Tag an bis jetzt.“ (Phil 1,4f.)
Diese Worte des Apostels Paulus aus der heutigen Lesung sprechen mir aus dem Herzen. Dankbar schaue ich auf das Wolfgangsjahr zurück. Mit vielen von Ihnen habe ich ein Stück Pilgerweg zurücklegen und den Glauben teilen dürfen. Wir haben auf das Beispiel unseres Diözesanpatrons geschaut und seine Fürsprache erbeten.
Zahlreiche Initiativen haben das Jubiläumsjahr zum Anlass genommen für kreative Glaubensimpulse. Ich durfte erfahren, wie sehr die Gestalt des heiligen Wolfgang in seiner Bescheidenheit, seiner Verfügbarkeit für Gottes Willen und seiner steten Lernbereitschaft gerade heute die Menschen anspricht.
Zugleich war viel Gelegenheit, über Sorgen und Nöte zu sprechen. Zu den innerkirchlichen Themen kommen noch Ungewissheit und Ängste im Blick auf die politischen Vorgänge im In- und Ausland, Polarisierungen, kriegerische Auseinandersetzungen, die das Leben unserer Gesellschaft überschatten.
2. Wie wird es weitergehen? Wie wird das kirchliche Leben bei uns im Bistum in zehn, in zwanzig Jahren aussehen? Pfarrer und Pastorale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fragen: Was müssen wir unbedingt tun, was können wir loslassen? Wo sollen wir Prioritäten setzen?
Für diese Offenheit im Blick auf die Sorgen und Nöte bin ich dankbar. Und Sie erwarten von mir zu Recht ein Wort der Orientierung.
3. Das Evangelium des heutigen zweiten Adventssonntags ruft uns dabei das Wesen von Kirche in Erinnerung. Johannes der Täufer hat als Vorläufer dem kommenden Jesus Christus den Weg bereitet. So ist es auch Aufgabe jedes und jeder einzelnen von uns, mitzuhelfen, dass Jesus ankommen kann: in unserem Herzen, in unseren Pfarrgemeinden, in unserer Gesellschaft. Dabei kann ein Blick auf den heiligen Wolfgang hilfreich sein.
Glaube braucht Bildung
4. Ein erstes: Wolfgang war ein leidenschaftlicher Lehrer, und als solcher zeitlebens ein Lernender. Das Schlussdokument der im Oktober zu Ende gegangenen Bischofssynode über die Synodalität bekräftigt im fünften Kapitel die Notwendigkeit einer lebenslangen Bildung und Vertiefung im Glauben. Sie sind eine der wichtigsten Voraussetzungen gerade auch für gelebte Synodalität. Es heißt dort:
„Eine der Forderungen, die während des synodalen Prozesses am stärksten und in allen Kontexten zum Ausdruck kam, ist, dass die von der christlichen Gemeinschaft angebotene Ausbildung ganzheitlich und kontinuierlich sein soll. Eine solche Ausbildung darf nicht nur auf den Erwerb von theoretischem Wissen abzielen, sondern muss auch die Fähigkeit zu Offenheit und Begegnung, zum Austausch und zur Zusammenarbeit, zur Reflexion und zum gemeinsamen Diskurs fördern“ (Nr. 143). Die Formung von missionarischen Jüngerinnen und Jüngern, die sprachfähig, auskunftsfähig sind über ihren Glauben, ist das Gebot der Stunde.
5. Ich danke allen, die in unseren Bildungseinrichtungen, auf Pfarreiebene oder getragen von den Verbänden, im Religionsunterricht, in der Katechese, in Bibel- oder Glaubensgesprächskreisen und wo immer sonst mithelfen an der Formung missionarischer Jüngerschaft. Ich schaue in diesem Zusammenhang auch dankbar und zuversichtlich auf die Frauen und Männer, die sich auf das Amt des Katechisten vorbereiten.
Ein besonderes Augenmerk lege ich auf die politische Bildungsarbeit, seit jeher ein Kennzeichen der katholischen Verbände. Das Studium der katholischen Soziallehre hat eine gute Politik ermöglicht und auf diese Weise das Evangelium in die Gesellschaft hineingetragen. Ich ermutige ausdrücklich dazu, sich mit der katholischen Soziallehre zu beschäftigen und sie in die Parteien und Unternehmen hineinzutragen: die Prinzipien der Personalität, der Solidarität, der Subsidiarität, des Gemeinwohls und der Nachhaltigkeit.
Glaube braucht Gebet
6. Ein zweites: Bischof Wolfgang war ein Reformer der Klöster. Dabei ging er mit gutem Beispiel voran. Als Bischof verließ er das Kloster, aber nicht das Mönchsein. Dem Gebet zog er nichts Anderes vor. Wolfgang lebte sein Bischofsamt in mönchischer Weise.
So bin ich außerordentlich dankbar, dass im Bistum Regensburg viele geistliche Zentren das kirchliche Leben in den Pfarreien begleitend unterstützen und bereichern. Die Einladung, die Stundenliturgie mitzufeiern, das Sakrament der Versöhnung zu empfangen, geistliche „Auszeiten“ zu nehmen, Exerzitien zu machen und vieles mehr bereichert unser kirchliches Leben. Ich hoffe und bete darum, dass es auch in unseren Pfarreien kleine geistliche Zentren gibt, Gebetskreise, Glaubensgesprächskreise, Bibelkreise, in denen das geistliche Leben vertieft werden kann.
Dabei kann sich unser Beten danach richten, was Papst Benedikt XVI. einmal einem Kommunionkind geantwortet hat, das danach gefragt hat, was eucharistische Anbetung bedeute. Einfach und doch in seiner Tiefe herausfordernd sagte er: „Anbeten heißt zu sprechen: ‚Jesus, ich bin dein, und ich folge dir in meinem Leben, ich möchte diese Freundschaft, diese Gemeinschaft mit dir nie verlieren.‘“ (Begegnung von Papst Benedikt XVI. mit den italienischen Kommunionkindern, Petersplatz, 15. Oktober 2005)
Glaube braucht Taten
7. Die lebendige Beziehung zu Gott, getragen vom Gebet, wirkt sich immer auch aus im konkreten Handeln.
Von Bischof Wolfgang wissen wir, dass er ein großes Herz hatte und ein waches Gespür für die Not der Menschen. Als infolge von Missernten Hungersnot drohte, ließ er die bischöflichen Vorratskammern öffnen. Auf diese Weise linderte er die Not, nicht ohne Sorge dafür zu tragen, dass die so Beschenkten ihrerseits zum Teilen angehalten wurden.
An Brot fehlt es in unserem Land zum Glück nicht. Aber es gibt den Hunger nach Begegnung, nach echter Zuwendung. Wenn ich nach Prioritäten in der Seelsorge gefragt werde, dann verweise ich auf die Kranken und Alten. Auf sie zu schauen, sie zu kennen, sie zu besuchen, ihnen regelmäßig die Heilige Kommunion zu bringen, sollte Vorrang haben. Und fragen Sie sich, fragen wir uns alle: Kennen wir die Armen in unserer Pfarrei?
Glaube überwindet Grenzen
8. Ein letzter Gedanke: Wolfgang ist ein europäischer, grenzüberschreitender und in diesem Sinne katholischer Heiliger. Sein Leben war geprägt von immer neuen Aufbrüchen und neuer Beheimatung.
Die größte Herausforderung im Blick auf die Pastorale Entwicklung 2034 sehe ich darin, in der Haltung einer guten Katholizität zu wachsen. Was meine ich damit? Katholizität in diesem guten Sinne bedeutet für mich, dass ich weiß, wo ich zuhause bin, wo meine Wurzeln sind. Konkret: meine Pfarrkirche, vielleicht auch die Expositur- oder Filialkirche und die Menschen, die mir von dorther vertraut sind. Zugleich aber zu wissen: Ich bin nirgendwo in der katholischen Kirche fremd. Nicht in der Nachbarpfarrei, nicht in Regensburg, nicht in Rom. In der Kirche gibt es so gesehen keine Ausländer. Wer glaubt, ist in jeder Pfarrei „dahoam“!
9. Ich habe im zurückliegenden Jahr viele kleine, sehr kleine Kirchen und die dazugehörigen Gläubigen im Bistum kennenlernen dürfen. Die Liebe zur Heimat, die Verbundenheit mit den Kirchen vor Ort zu erleben, hat mich tief bewegt. Seien Sie versichert: Wir wissen diese Verbundenheit überaus zu schätzen. Und ich danke allen Frauen und Männern, die sich bei der jüngsten Wahl für die Kirchenverwaltungen zur Verfügung gestellt haben. Großartig! Vergelt’s Gott für alle Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Ebenso danke ich den Pfarrern und den pastoralen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für Ihren Beitrag zur pastoralen Entwicklung. Wenn es Diskussionen und Reibungen gibt, sind sie es, die für einen Ausgleich sorgen müssen.
10. Zugleich bitte ich Sie alle, auf das Wachsen der Katholizität im guten Sinne zu achten, in den größer werdenden Pfarreiengemeinschaften das Miteinander zu pflegen, selbst die Erfahrung zu machen und auch andere die Erfahrung machen zu lassen, dass wir nirgendwo Fremde sind, sondern Glieder der einen Kirche, gemeinsam berufen, Gott die Ehre zu geben und Jesus Christus als das lebendige Wort Gottes zu verkünden.
Auf die Fürsprache der Gottesmutter Maria, der Heiligen und Seligen unseres Bistums sowie aller Heiligen segne und bewahre Sie und Euch alle der dreifaltige Gott, der + Vater und der + Sohn und der + Heilige Geist.
Regensburg, am Gedenktag des heiligen Bischofs Nikolaus im Jahr des Herrn 2024
+ Rudolf
Bischof von Regensburg
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