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Hirtenwort des Bischofs



Liebe Kinder, liebe Jugendliche und erwachsene Schwestern und Brüder im Herrn!

In diesem Jahr 2024 erinnern wir uns im Bistum Regensburg voller Dankbarkeit daran, dass im Jahr 924, also vor 1100 Jahren, unser Bistumspatron, der heilige Wolfgang, im schwäbischen Pfullingen geboren wurde.

Nach einer bewegten Lebensgeschichte als Lehrer, Mönch, Priester und Missionar wurde Wolfgang 972 Bischof unserer Diözese. 22 Jahre lang stand er ihr als oberster Hirte vor. Er gilt als Reformer der Klöster, Gründer der Domschule und damit auch der Domspatzen, Vorbild der Caritas und nicht zuletzt als weitsichtiger Organisator. Er starb 994 im oberösterreichischen Pupping. Im Jahr 1052 wurde er heiliggesprochen.

All das ist lange her. Und manche fragen sich vielleicht: Haben wir nicht andere Themen? In unserer Gesellschaft zeichnen sich unversöhnliche Polarisierungen ab! Vielen Menschen bedeuten Gott und die Kirche nichts mehr. In der katholischen Kirche hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten, so die neue Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung, die Zahl derer, die sich selbst als „betende Menschen“ bezeichnen, halbiert!

Wenn wir auf das Leben und Wirken des heiligen Wolfgang schauen, dann zeigt sich, dass es in vielfacher Hinsicht aktuell ist. Es ist ein Kennzeichen der Heiligen, dass sie ‑ bei aller Zeitgebundenheit, die ihre Lebensumstände immer begleitet ‑ doch eine Frische und Jugendlichkeit aufweisen, die sich über die Zeiten hinweg nicht abnützt und die nicht veraltet. Vielmehr erschließen sie in neuen Zusammenhängen auch neue Perspektiven.

Mich persönlich sprechen vor allem drei Aspekte am Wirken des heiligen Wolfgang immer wieder an.

Wolfgang, das ist das erste, hat sich nicht um ein kirchliches Amt bemüht oder um das Bischofsamt gerissen, im Gegenteil. Es ging ihm nie um Macht oder irdischen Einfluss. Die Versuchung dazu wäre groß gewesen, gerade in dieser Zeit, da sich das System der Reichskirche zu entwickeln begann mit den Bischöfen als wesentliche Stütze auch der weltlichen Herrschaft. Ein erstes Mal ist Wolfgang tatsächlich dem Bischofsamt ausgekommen. 965 hätte er Nachfolger des Erzbischofs Bruno von Köln werden können. Stattdessen tritt er in das Kloster Einsiedeln ein. Dieses Kloster in der Schweiz unterschied sich vom Kloster auf der Reichenau, wo er in seiner Jugendzeit zur Schule gegangen war. Einsiedeln hatte sich durch eine strenge Disziplin in der Beachtung der Benediktsregel reformiert.

Doch Wolfgang spürt, dass er eine noch größere Mission hat. Europa ist zu dieser Zeit schon fast ganz christlich missioniert. Nur die Ungarn haben sich noch der Botschaft Christi verschlossen. Sie versuchen umgekehrt, militärisch nach Westen auszugreifen. Es ist der heilige Bischof Ulrich von Augsburg, der ihnen auf dem Lechfeld entgegentritt. Doch Wolfgang ist klar: nicht mit Waffengewalt sind die Ungarn zu überzeugen, sondern durch die friedliche Botschaft des Evangeliums. Und es drängt ihn nach Osten. 968 weiht ihn Bischof Ulrich zum Priester, und Wolfgang macht sich auf in Richtung Ungarn.

Dieser Missionierungsversuch war nicht erfolgreich. Der damalige Bischof Pilgrim von Passau lässt Wolfgang zu sich kommen. Er erkennt: Bei dem von so großem Missionseifer beseelten Mönch handelt es sich um einen fähigen Mann und einen wahren Diener Jesu Christi. Pilgrim schlägt ihn deshalb dem Kaiser als Bischof von Regensburg vor. So wird Wolfgang 972/73 Bischof in der Donaustadt. Noch einmal wollte er sich der verantwortungsvollen Aufgabe nicht entziehen.

Der Anfang seines Wirkens als Bischof ist gekennzeichnet von zwei Akten des Verzichts. Das erste ist der Verzicht auf das Amt des Abtes von St. Emmeram. Seit der Gründung des Bistums 739 durch Bonifatius war der Abt von St. Emmeram automatisch auch Bischof von Regensburg. Das bedeutete zwar großen Einfluss und vielleicht auch viel Macht, war aber weder für die Ausübung des einen wie des anderen geistlichen Auftrags förderlich. Damit der Abt ganz Abt sein und seinem Kloster als guter Vater vorstehen konnte, und umgekehrt der Bischof sich ganz seinen Aufgaben im Bistum widmen konnte, übergab Wolfgang das Amt des Abtes an den Mönch Ramwold, der ihm noch aus Trierer Zeiten bekannt war.  Tatsächlich führte Ramwold das Kloster St. Emmeram sogleich zu hoher geistlicher Blüte.

Ein anderer weitreichender Verzicht: Wolfgang gab die zum Bistum Regensburg gehörenden Gebiete jenseits des Bayerischen und des Böhmerwaldes und die damit verbundenen Einkünfte ab und ermöglichte so die Gründung eines eigenen neuen Bistums Prag.

Seine Begründung, und damit komme ich zu einem zweiten wichtigen Wesenszug bei Wolfgang, lautete, dass er in Böhmen gleichsam Schätze schlummern sehe, die nur gehoben werden und zur Entfaltung kommen können, wenn die Region selbstständig wird. Wolfgang zeigt sich somit als geistlicher Schatz-Sucher. Um des Evangeliums willen suchte und entdeckte er Charismen, Gnadengaben und förderte sie.

Das ist auch für die Kirche unserer Tage eine zentrale Aufgabe. Ich nütze die Gelegenheit dieses Hirtenbriefes, allen haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Pastoral, im Schuldienst und in der Verwaltung von Herzen zu danken für ihren Einsatz. Und alle rufe ich Sie auf, vor allem die Jugendlichen unter Ihnen: Christus der Herr braucht auch heute Boten des Evangeliums, die ihre Fähigkeiten und Talente einsetzen für die Bezeugung der christlichen Botschaft. Lassen Sie sich nicht von negativen Schlagzeilen entmutigen! Auch der heilige Wolfgang, und schon gar nicht Jesus selbst, waren immer erfolgreich. Aber die Nachfolge Jesu hat ihren Lohn schon in sich. Den Aposteln wurde die Taborstunde geschenkt, die ihnen half, auch die Niederungen des Kreuzweges zu bestehen (vgl. Mk 9,2‑10), wie wir heute im Evangelium gehört haben. Und auch der Apostel Paulus ermutigt uns heute: „Ist Gott für uns, wer ist dann gegen uns?“ (Röm 8,31b). So bitte ich Sie: Alle sollen sich fragen, ob der Herr sie nicht beruft, als Priester, Diakon, als Ordensfrau oder Ordensmann, im Religionsunterricht oder in einem der Pastoralen Dienste Verantwortung zu übernehmen.

Dazu kommt als Ehrenamt die Möglichkeit, als Katechistin oder Katechist einen Teilbereich der Verkündigung mitzuübernehmen.

Auch Gottesdiensthelferinnen und Gottesdiensthelfer können beitragen zum vielfältigen gottesdienstlichen Leben in den Pfarreien und Pfarreiengemeinschaften, beispielsweise bei Kreuzweg, Rosenkranz oder Maiandachten.

Danke, dass Sie alle mithelfen, Ausschau zu halten nach Fähigkeiten und Begabungen für die Neuevangelisierung.

Ein drittes und letztes, was mich immer wieder fasziniert besonders auch am heiligen Wolfgang: Er ist ein wahrhaft europäischer Heiliger; in Schwaben geboren, Schüler auf der Reichenau und in Würzburg, Lehrer in Trier, Mönch im Schweizer Kloster Einsiedeln, Missionar auf dem Weg nach Ungarn, Bischof in Regensburg, herzlich verbunden mit Prag und ganz Böhmen und Mähren, wird er vor allem auch in Österreich verehrt. All das erinnert uns daran, dass unser Europa von seinen Wurzeln her viel mehr ist als Wirtschaftsraum oder eine politische Größe. Europa ist als geistige Größe geeint durch die gemeinsamen christlichen Wurzeln, durch die Religion des Kreuzes. Die vielen Wallfahrtswege, die ganz Europa durchziehen, sind wie die Lebensadern, die die vielen Völker und Sprachen über alle Grenzen hinweg verbinden. So werden uns als zwei der Höhepunkte des Wolfgangsjahres die Diözesanwallfahrt am 27. April nach St. Wolfgang am Wolfgangsee führen und die Eröffnung der Wolfgangswoche am 22. Juni nach Neukirchen beim Heiligen Blut, wo wir – auch in Erinnerung an den Katholikentag vor zehn Jahren – eine völkerverbindende und Grenzen überschreitende Wallfahrt zum Wolfgangsschrein feiern werden. Dieser wird dazu aus der Krypta in St. Emmeram in den Wallfahrtsort nahe der tschechischen Grenze gebracht. Ich lade Sie alle herzlich dazu ein. Die gemeinsame Bezeugung unseres Glaubens ist die beste Vorbeugung gegen alle nationalistischen Tendenzen, die nur die Menschen gegeneinander aufbringen. Als Kirche sind wir hingegen „Zeichen und Werkzeug der innigsten Verbindung zwischen Gott und den Menschen und der Menschen untereinander“ (vgl. LG 1). Es ist unser Auftrag, die Würde aller Menschen zu achten und zu bezeugen. Sie ist in der Schöpfung grundgelegt und in der Erlösung durch Jesus Christus wunderbar erneuert. In der Verkündigung dieser Botschaft ist uns unser Bistumspatron so überzeugend und glaubwürdig vorangegangen.


Auf die Fürsprache des heiligen Wolfgang segne Euch und Sie alle der dreifaltige Gott, der + Vater und + der Sohn und + der Heilige Geist.


Regensburg, zum 2. Fastensonntag 2024


Ihr Bischof

+ Rudolf Bischof von Regensburg

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